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6. 11.2004 EERO HEINONEN
 

Darmstädter Echo vom 09.11.2004:

Bilder und Geschichten

DARMSTADT. „Für mich beginnt Musik da, wo das Wort aufhört“, soll der finnische Komponist Jean Sibelius gesagt haben. Dass er über 100 Klavierstücke geschrieben hat, ist kaum bekannt. Als Botschafter dieses Klavierwerks gastierte am Samstag der finnische Pianist Eero Heinonen bei der Chopin Gesellschaft im Darmstädter Kennedyhaus.
Das Programm bestand aus kurzen Stücken, die zyklusartig zu Blöcken zusammengefasst waren. Dass sie nicht in Fragmente zersplitterten, lag an Heinonens klangbetonter Interpretation.
Der Pianist kostete die scharfen Kontraste aus, etwa wenn er wie im Zyklus „Kyllikki“ (drei lyrische Stücke op. 41) klirrende hohe Töne neben zurückhaltend warme Melodien in den Bässen rückte. Innige Melodien und auftrumpfende Akkorde prallten aufeinander. Heinonen verlieh der Musik sogar impressionistische Züge. Seine Stärke liegt in der dynamischen Bandbreite und im Gespür für die Gesamtdramaturgie. Immer wieder hörte man in den archaischen Melodien und leisen Begleitfiguren ein Stück seiner Heimat, dem Land der tausend Seen und tiefen Wälder.
Diese geradezu plastische Intensität von Heinonens Spiel hat sich an diesem Abend aber erst entwickelt. Der anfänglich üppige Pedalgebrauch, der manchmal Details überdeckte, wurde sparsamer, der Pianist in seiner Gestaltung immer mutiger. In Leo‰ Janáãeks Zyklus „Auf verwachsenem Pfade“ erzählte Heinonen auf seinem Instrument Geschichten. Wie eine Lichterscheinung stiegen in „Die Mutter Gottes von Friedek“ helle Melodien über schweren Akkorden auf. „In Tränen“ schienen die Töne über die Tastatur zu schwimmen. Heinonen weckte Bilder, von denen die Zuhörer erst nach einer Zugabe, einem dämonisch anmutenden Tanz von Sibelius, genug hatten.
Carolin Neubauer
9.11.2004

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