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25.10.2006 PREISTRÄGERKONZERT
 

Darmstädter Echo vom 27.10.2006:

Klasse am Flügel

Preisträgerkonzert: Gewinne für sechs junge Damen beim Chopin-Klavierwettbewerb

DARMSTADT. Dreiundvierzig Teilnehmer hatten sich zum achten Europäischen Klavierwettbewerb bei der Chopin-Gesellschaft in Darmstadt angemeldet. Aber nur zwanzig sind gekommen, um sich der von Maciej Lukaszczyk geleiteten Jury zu stellen. Diese kleine Zahl war zwar enttäuschend, zumal kein deutscher oder österreichischer Bewerber mit von der Partie war, doch freuten sich die Organisatoren über das hohe Niveau, das sich beim abschließenden Preisträgerkonzert in der Orangerie noch einmal bestätigte. Sechs junge Damen nahmen zunächst bei der von Wolfgang Ruthe launig moderierten Preisverleihung ihre Gewinne aus den Händen der Sponsoren in Empfang. Dann bestätigten sie am Flügel ihre Klasse, und dies nicht nur mit berühmten, sondern auch mit einigen seltener gespielten Stücken von Chopin.

Den ersten Preis in Höhe von 10 000 Euro, gestiftet von der Stadt Darmstadt, und den Preis für die beste Polonaise errang die Französin Hélène Tysman. Sie setzte mit einer hinreißenden Wiedergabe der b-Moll-Sonate den Schlusspunkt unter den fesselnden Konzertabend. Tysman lotete die Spannweite dieses Werks zwischen Dramatik und Lyrik in einer zugleich erfühlten wie durchdachten Wiedergabe aus. Zuvor hatte sie die frühe f-Moll-Polonaise mit rhythmischem Elan und feiner Eleganz serviert.

Die Japanerin Aiko Yajima, Gewinnerin des zweiten Preises, überzeugte mit dem spannungsreich gebotenen Kopfsatz der h-Moll-Sonate mehr als mit zwei sehr kapriziös gestalteten Walzern. Die Lettin Gajane Saakjana, die neben dem dritten Preis auch den Publikumspreis erobert hatte, zeigte ihre frische, natürliche Musikalität bei der poetischen Deutung zweier Walzer und der voranstürmenden As-Dur-Tarantella. Mit einer kraftvollen Interpretation des cis-Moll-Scherzos wartete die Polin Katarzyna Malinowska auf, die den vierten Preis erhalten hatte. Glitzernde Brillanz demonstrierte die Japanerin Misuzu Kikuchi, Gewinnerin des fünften Preises, mit zwei Etüden und den drei Ecossaisen.

Zurückhaltend, aber sehr empfindsam, gestaltete Francesca Hun-Jae Kim aus Südkorea, die sechste Preisträgerin, das nachgelassene Nocturne cis-Moll und zwei elegische Mazurken. Die vielen Zuhörer in der Orangerie konnten erahnen, welche Begabung und welcher ausdauernde Fleiß Voraussetzungen für die gebotenen Leistungen sind. Sie honorierten es durch kräftigen, lange anhaltenden Applaus für alle Mitwirkenden.

Klaus Trapp
27.10.2006

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