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07.06.2008 KLAVIERABEND – MARTIN KASIK
 

Darmstädter Echo vom 09.06.2008:

Ein geschlossenes Ganzes

Klavierabend: Martin Kasiks Spiel fasziniert in Darmstadt durch pianistische Feinkultur

DARMSTADT. Zum Abschluss der Klavierabend-Saison vor der Sommerpause faszinierte Martin Kasik aus Tschechien sein Publikum bei der Darmstädter Chopin-Gesellschaft am Samstag durch pianistische Feinkultur. Der 32 Jahre alte Pianist begeisterte im Kennedyhaus mit unglaublicher Präsenz in Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“, nachdem er zuvor mit Chopin geglänzt hatte. Sein rasantes, risikofreudiges Spiel ging unter die Haut, es war eruptiv und hatte denkwürdige lyrische Momente. Zudem ergab eine kluge Programmarchitektur inklusive der Zugabe seines Landsmanns Leos Jancek ein geschlossenes Ganzes.

Die Chopin-Nocturnes op. 27 eröffneten den Abend. Weich und verhalten beginnt die Nr.1 in cis-Moll. Kasik ließ hier gleich seine Kraft und Vehemenz in den rollenden Begleitfiguren spüren, mit Lieblichkeit wandte er sich der Melodie zu. In der berühmteren Nr. 2 versprühte der Künstler eine ähnlich wehmütige Stimmung, vertiefte sich sensibel in das Werk. Sein Anschlag tastete sich vor auf brüchigem harmonischen Eis. Sein exzellentes Gespür für wirkungsvolles Spiel kam auch der Chopin-Ballade g-Moll op. 23 zugute: Der Künstler überzeugte mit einem volltönenden Klangspektrum und vollkommen austarierter Balance, mit satten Bässen, sonoren Mittelstimmen und einer anziehenden Kantilene.

Die Möglichkeiten des Instruments schöpfte Kasik voll aus und lieferte gestochen scharfe Bilder in den virtuosen Passagen. Den Turbo eingeschaltet ließ er im Scherzo b-Moll op. 31. Impulse krachten wie Blitze vom Himmel. Sehnsuchtsvoll stimmte der Pianist den Gesang der abwärtsschreitenden dreitönigen Phrase an und zeigte Souveränität. Solide Schlusswirkung hatte das „Andante spianato mit Grande Polonaise Es-Dur op. 22“, in der Kasik so etwas wie eine Traumwelt gepaart mit polnischem Stolz hören ließ. Glühende Fantasie und kultivierte Virtuosität reizten hier besonders.

Die „Bilder einer Ausstellung“ ließen ebenso keinen Wunsch offen. Mussorgskis 1874 entstandener Zyklus ist als Musterbeispiel für Programmmusik anerkannt. Die von Zwischenmusik – der Promenade – unterbrochenen elf Szenen, beschreiben Gemälde von Mussorgskis Maler-Freund Viktor Hartmann (1834–1873). Ob im „Alten Schloss“ das retardierende Moment, in den „Tuilerien“ die Luftigkeit und präzise Artikulation, die „Massigkeit“ im „Bydo“ (Ochsenkarren) oder die Pfiffigkeit und der Humor im „Ballett der Küken“ – Kasiks Herangehensweise überzeugte. Auch seine geistige Präsenz in „Limoges“, das Grausen, welches er in den „Katakomben“ und in „Mit den Toten in der Sprache der Toten“ anzustimmen wusste, bezeugen seine Klasse. Im „Großen Tor von Kiew“ demonstrierte der Pianist schließlich noch einmal sein majestätisches Spiel.

Manuel Stangorra
9.6.2008

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