Pianisten-Meisterkurs: In einer melancholisch-romantischen Atmosphäre spielen internationale junge Musiker ihre Lieblingsstücke
DARMSTADT. Mit den ersten Akkorden des Nocturne in Fis-Dur zauberte die japanische Pianistin Mayuko Miyata Chopins berühmten „blauen Klang“ in den in Dämmerlicht getauchten Konzertsaal der Orangerie. Beredt und sensibel zugleich, verströmte ihre Interpretation eine melancholisch-romantische Atmosphäre. Bei Kerzenschein lauschte das Publikum am Freitagabend an festlich geschmückten Tischen dem Abschlusskonzert des 18. Internationalen Meisterkurses für Pianisten in Darmstadt der Chopin-Gesellschaft.
Vom 6. bis zum 12. September hatten die jungen Teilnehmer aus Europa und Asien unter der Leitung der polnischen Klavierprofessorin Katarzyna Popowa-Zydron und des amerikanischen Pianisten Kevin Kenner an ihrem Repertoire gearbeitet. Die Ergebnisse konnten sich hören lassen: Eine bemerkenswerte Interpretation von Mendelssohn Bartholdys selten gespielten Variations sérieuses op. 54 lieferte die 1978 geborene Shiori Eto aus Tokio. Mit uhrwerkartiger Präzision entfaltete sie eine furiose Geläufigkeit, deren kraftvolle Wirkung sich aus dem unnachgiebigen Puls der Musik zu speisen schien.
Mutigeren Gestaltungswillen hätte man sich dagegen im ersten Satz von Chopins Sonate in h-Moll op. 58 gewünscht, der von der Japanerin Maya Tomara technisch versiert, doch ohne die nötige musikalische Tiefenschärfe gestaltet wurde.
Recht zurückhaltend begann auch Yayoi Higaki die „Cloches à travers les feuilles“ aus Claude Debussys „Images“, entfaltete aber im Verlauf ihres Spiel eine reiche impressionistische Farbpalette von eindrucksvoller Suggestivkraft. Weich akzentuiert gestaltete die Südkoreanerin Ha Sun Choi Chopins Préludes op. 28. Äußerst organisch fügte sie die scharfen musikalischen Kontraste zu einem harmonischen Wechselspiel ohne Ecken und Kanten zusammen. Voll poetischer Klangschönheit steckten auch die von Jung Eun Shim interpretierten Fantasiestücke op. 12 von Robert Schumann.
Weniger filigran, dafür aber mit großer Tastensicherheit und packender Emotionalität gestaltete Piotr Latoszynski Chopins Nocturne in Es-Dur op. 55. Mit hellhörigem musikalischen Gespür überzeugte auch Marta Marcierzynska in den Mazurken von Szymanowski, deren eigenwillige Wendungen in Harmonie und Rhyhmus sie feinfühlig auskostete.
Den größten Applaus erntete die 1981 geborene Polin Aleksandra Mikulska, die das Publikum in Chopins „Grande Polonaise Brillante“ op. 22 mit reifer Phrasierungskunst begeisterte. Mit traumwandlerischer Sicherheit schien sie jeden Harmoniewechsel und jeden melodischen Einfall vorauszuahnen und ließ ihn ohne jede Hast klanglich Gestalt annehmen.