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05.12.2008 KLAVIERABEND - HARDY RITTNER
 

Darmstädter Echo vom 08.12.2008:

Die Löwenpranke des Virtuosen

Klavierabend: Hardy Rittner beweist in der Reihe „Junge Meisterpianisten“ seine immensen Fähigkeiten

DARMSTADT. Es mag Hardy Rittner fast wie ein Heimspiel vorgekommen sein, als er sich am Freitag in der Reihe „Junge Meisterpianisten im Kennedyhaus“ in Darmstadt vorstellte.

Rittner, 1981 in Rüsselsheim geboren und unter anderem von Karl-Heinz Kämmerling am Salzburger Mozarteum ausgebildet wurde, besitzt ein ausgesprochenes Faible für die Klaviermusik von Johannes Brahms. Er wird sich nach seiner ersten CD-Enspielung mit Werken des jungen Brahms dem pianistischen Gesamtwerk des Komponisten ebenso widmen wie einer CD-Produktion des kompletten Schönbergschen Klavierschaffens. Zur spannenden Konfrontation mit Werken beider Komponisten kam es beim Darmstädter Recital aber leider nicht, denn Hardy Rittner verzichtete kurzerhand auf die ursprünglich vorgesehene Wiedergabe von Arnold Schönbergs zwölftönig streng organisierter Suite op. 25.

Er verstärkte mit den drei Intermezzi op. 117 den Brahms-Schwerpunkt seines Programmes. Hier und in den sechs Klavierstücken op. 118 führte er mit wohltuender Ruhe vor, dass ein Pianoton auch leise und verhalten intensiv klingen kann. Diese Zurückhaltung in der Tongebung und die Vielfalt der Anschlagsnuancen ermöglichte äußerste Transparenz.

Fahl und bedrückend, wie aus ferner Geisterwelt herübertönend, formte Rittner die hohlen Oktaven im Moll-Mittelteil des Es-Dur-Wiegenliedes aus (Opus 117 Nr.1). Den mächtigen Appassionato-Aufschwüngen des Eröffnungsstücks aus Opus 118 setzte er samtweiche, hauchzart getupfte Klänge im A-Dur-Intermezzo (Nr. 2) entgegen. Das Dies-Irae-Zitat im letzten Intermezzo (Nr. 6 es-Moll) ist für Rittner mehr als bloßes theatralisches Dekor: Bei diesem Ausnahmepianisten gerät die viel zitierte mittelalterliche Sequenz zu einem düsteren Leitmotiv, zum Fortissimo-Schrei sich steigernd und im zerbrechlichen Schluss verwehend. In Rittners Interpretation voller klanglicher Sensibilität irritierten allenfalls die nicht optimale Intonation des in die Jahre gekommenen Steinway-Flügels und das gelegentliche „Klappern“ der Akkorde im Zusammenspiel beider Hände.

Die drei Chopin-Piecen zu Beginn des zweiten Programmteils (Nocturnes Des-Dur op. 27,2 und cis-Moll op. posth. sowie die Mazurka a-Moll op. 17,4) gerieten als poetische Impressionen für den Pianisten zu Lockerungsübungen vor dem Gewittersturm der Klaviersonate Nr. 1 C-Dur op. 1 von Johannes Brahms. Dort konnte er die Löwenpranke des Virtuosen hervorkehren. Ohne mit der Wimper zu zucken, wird Rittner mit den sperrigsten Stellen und mit der Wucht des Brahmsschen Klaviersatzes fertig. Das Abgehobene, Überschwängliche und Ekstatische dieser Musik kommt mitreißend und bewunderungswürdig zur Geltung.

In der Skriabin-Zugabe bestätigte Hardy Rittner schließlich seine immensen Fähigkeiten im Umgang mit sprühenden Bizarrerien und gewaltigen Klangmassierungen.

Albrecht Schmidt
8.12.2008

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