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26.03.2010 HISAKO KAWAMURA
 

Darmstädter Echo vom 29.03.2010:

Farbige Fantasien

Jubiläumskonzert: Die Chopin-Gesellschaft ist 40 Jahre alt, und Hisako Kawamura spielt

Gleich drei Jubiläen galt es zu feiern beim Festkonzert mit der japanischen Pianistin Hisako Kawamura in der Darmstädter Orangerie: Die ,,Chopin-Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland", die ihren Sitz in Darmstadt hat, wurde vor 40 Jahren gegründet, und die Komponisten Fryderyk Chopin sowie Robert Schumann wurden vor 200 Jahren geboren.

Bevor Musik erklang, waren deshalb zahlreiche Gruß- und Dankworte aus dem Umfeld von Kultur und Politik zu hören. Dabei wurden nicht nur die künstlerischen Leistungen der Chopin-Gesellschaft gewürdigt, sondern auch ihre Verdienste um die Aussöhnung mit Polen sowie um ihren Einsatz für eine tiefgreifende Völkerverständigung.

Der polnische Pianist Maciej Lukaszczyk, der die Chopin-Gesellschaft 1970 gründete und seitdem ihr Präsident ist, blickte zurück auf herausragende Ereignisse der vergangenen 40 Jahre: auf die Internationalen Chopin-Wettbewerbe, die als Sprungbrett für den großen Warschauer Wettbewerb dienen, und auf Konzerte wie die Auftritte der Meisterpianisten Adam Harasiewicz oder Jan Ekier, der seinerzeit im Staatstheater beide Chopin-Konzerte spielte. Natürlich fehlte es auch nicht an guten Wünschen für die Zukunft der Chopin-Gesellschaft, die in Zeiten finanzieller Not um ihre Projekte bangen muss.

Doch endlich kam sie, die noch immer jugendlich wirkende Pianistin Hisako Kawamura, die 1999 den ersten Preis beim Chopin-Wettbewerb in Darmstadt gewonnen hat und seitdem auf internationalem Parkett vielfach ausgezeichnet wurde. Sie schlug einen Bogen von Schumann zu Chopin, als sie mit dem Zyklus ,,Kreisleriana" begann, den der deutsche Komponist seinem polnischen Freund zugeeignet hat.

Die Pianistin stattete die acht fantastischen Stücke um die romantische Gestalt von E. T. A. Hoffmanns Kapellmeister Kreisler mit allen Facetten ihres variablen Anschlags aus, und sie versuchte dabei, die Extreme auszumessen, in denen sich die Stimmung bewegt.

Zwischen freudiger Erregung, bitterer Verzweiflung und zarter Hingabe pendelt diese Musik, und Hisako Kawamura wurde den abrupten Gemütsschwankungen gerecht. Sie schöpfte die dynamische Palette vom stählernen Forte bis zum weichen Pianissimo aus und trieb die Tempi sowohl nach der raschen wie nach der ruhigen Seite hin bis an die Grenze des Möglichen trieb. Dabei verriet die Pianistin ihren Sinn für die latente Polyphonie wie für die kühne Harmonik Schumanns, was die Zuhörer bannte.

Starke Spannungen prägten auch ihre Interpretation der viersätzigen b-Moll-Sonate op. 35 Chopins, wobei die ,,vier seiner tollsten Kinder", die der Komponist nach Schumanns Meinung hier vereint hat, in ihren Charakteren überzeugend erfasst waren: aufgipfelnd der balladeske Kopfsatz, unerbittlich der Totentanz des Scherzos samt innigem Trio, streng und düster der Trauermarsch mit einem überraschenden Diminuendo gegen Ende, wild wirbelnd das kurze Unisono-Finale.

Am Ende des Programms stand Chopins letzte große Komposition, die Polonaise-Fantaisie As-Dur op. 61, in einer hellhörigen, klug gesteigerten Wiedergabe, die deutlich machte, dass der federnde Tanzrhythmus wie aus der Ferne ins vielschichtige, oft melancholische Geschehen hineinklingt. Auf den begeisterten Applaus in der gut besuchten Orangerie antwortete Hisako Kawamura mit Chopins delikatem, nachgelassenen cis-Moll-Nocturne und dem hochvirtuosen As-Dur-Walzer op. 42.

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