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11.09.2010 SABINE SIMON
 

Darmstädter Echo vom 13.09.2010:

Pianistischer Hürdenlauf

Klavierabend: Sabine Simon präsentiert ein ambitioniertes Chopin-Programm

Das Konzert der Pianistin Sabine Simon war Werken Frédéric Chopins gewidmet. Mit den virtuosen »Don Giovanni«-Variationen und den anspruchsvollen zwölf Etüden des Opus 10, der selten in vollem Umfang aufgeführt wird, wagte sie auf Einladung der Chopin-Gesellschaft im Kennedyhaus einen ambitionierten pianistischen Hürdenlauf auf höchstem technischen Niveau.

»Hut ab, ihr Herren, ein Genie«, urteilte Robert Schumann in einer Rezension der 1827 entstandenen »La ci darem la mano«-Variationen op. 2 über den siebzehnjährigen Komponisten Chopin. Von Don Juan bis Leporello: Schumann meinte, das gesamte Personal aus Mozarts Oper hinter Chopins verschlungenen, poetisch aufgeladenen Akkorden zu hören. Sabine Simon, eine gebürtige Berlinerin, die seit 2005 an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt unterrichtet, spielte das vielversprechende Jugendwerk mit perlend präzisem Anschlag und erfrischend klarer Tongebung. Während sie die technischen Anforderungen des Stückes mit seinen filigranen Verzierungen und akrobatischen Läufen bravourös meisterte, ließ ihre Interpretation die geheimnisvoll-poetische Dimension unter der virtuosen Oberfläche des Werks aber oft unberücksichtigt.

Die Tendenz, die dunklen Abgründe und leidenschaftlich- dramatischen Ausbrüche in Chopins Musik mit schnörkellos stringenter Phrasierung und streng geführter Rhythmik unter Kontrolle zu halten, zeigte sich auch in den 12 Etüden op. 10. Bei aller spielerischen Eleganz, mit der die Pianistin die besonders die rechte Hand beanspruchenden, auf kräftemäßige Gleichheit und individuelle Beweglichkeit aller Finger zielenden Etüden zelebrierte, fehlte ihrem kunstfertigen Spiel, die nachhaltig berührende Emotionalität.

Trotz der furiosen Tempi, rasanten Läufe und donnernden Oktaven vermittelte ihre Interpretation wenig glaubhafte Dramatik. Zu streng unter Kontrolle gehalten, drohte das emotionale Feuer der Musik immer wieder unter der kultivierten, auf klangliches Ebenmaß ausgerichteten Spielweise zu erlöschen.

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