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12.11.2011 KLAVIERABEND - ALEKSANDRA MIKULSKA
 

Darmstädter Echo vom 15.11.2011:

Beethoven ohne Bremsen

Klavierabend: Aleksandra Mikulska liefert in Darmstadt einen athletischen Vortrag ab

DARMSTADT. Sportlich ging es zu beim Klavierabend der 1981 geborenen Pianistin Aleksandra Mikulska am Samstag im Kennedyhaus. Die mehrfache Preisträgerin aus Warschau, die auf Einladung der Chopin-Gesellschaft in Darmstadt gastierte, begeisterte die Zuhörer vor allem mit dem Finalsatz aus Beethovens „Appassionata“ genannter Klaviersonate sowie mit Chopins Andante spianato und Grande Polonaise op. 22. Beide Werke setzen schon in der Komposition auf Effekt, und wenn sie dann so leidenschaftlich interpretiert werden, wie Mikulska das tat, verdient das durchaus die Bravorufe des hingerissenen Publikums.
Begonnen hatte der Abend mit der Klaviersonate Nr. 46 von Joseph Haydn, in der Mikulska die Läufe und viele Triller gestochen scharf setzte, was abermals dem letzten Satz besonders zugutekam. Für die ersten beiden Sätze, die mit ihren Generalpausen und ihrer barocken Spielerei eigenartig introvertiert und fast improvisiert wirken, hätte man sich freilich einen etwas sensibleren Zugang gewünscht.
Spannend gestaltete Mikulska die „Appassionata“, in der sie nun ihrem kraftvollen Forte-Spiel keine Bremsen mehr anlegte. Da kamen dann die Akkorde regelrecht athletisch daher, und sehr wohl vorhandene musikalische Ansätze wurden dadurch leider zerschlagen. Ein wenig mehr Schlichtheit und weniger Pedal hätten dem langsamen, hymnischen Andante gut getan.
Ihrer besonderen Vorliebe für die Komponisten Karol Szymanowski und Frédéric Chopin trug sie mit den kurzen Variationen op. 3 des einen, Walzern, Mazurken sowie dem Fantaisie-Impromptu op. 66 und eben der Grande Polonaise des anderen Rechnung. Jeglichem sentimentalen Tonfall abhold, interpretierte die Pianistin diese Werke routiniert und mit viel Kraft und großer Schnelligkeit, als gelte es einen Preis für Geschwindigkeit und Lautstärke zu gewinnen.

Das heißt nicht, dass Mikulska kein Gespür für musikalische Nuancen hätte. So spielte sie die Charaktere der Szymanowski-Variationen zwischen Liedhaftigkeit, heiterer Sommeridylle, melancholischer Nachdenklichkeit und großer Emphase deutlich heraus. Bleibt die Frage, warum sie dem Gefühl, dass sie in einem Chopin-Walzer der Zugabe bewies, nicht schon in den vorangegangenen Kompositionen desselben Komponisten traute.

Susanne Döring
15. November 2011

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